Sozialismus von unten
Magazin für antikapitalistische
Debatte & Kritik

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Nr. 6, Frühjahr 2001

[Inhaltsverzeichnis SVU Nr.6]


Umweltschutz -
denkbar nur gegen Markt und Staat!

Jörg Bergstedt

Früher war Umweltschutz eine Sache des Staates: Verbote, Gebote, Umweltschutz als Teil der Bildungsarbeit und öffentlicher Appelle - all das sind Herrschaftslogiken. UmweltschützerInnen forderten mehr Gesetze, härtere Strafen, Umweltbildung und bunte Broschüren. Dieses "von oben" aber schwächte die Akzeptanz, die Menschen fühlen sich (zu Recht) bevormundet, sie entscheiden nicht selbst. Mit dem Neoliberalismus, d. h. dem allgemeinen Wandel staatlicher zu marktwirtschaftlichen Steuerungsinstrument (inszeniert vom Staat selbst, der nicht Opfer, sondern Macher der Marktorientierung ist), setzten auch die UmweltschützerInnen auf diese Karte: Nicht mehr Verbote, sondern Steuern. Nicht mehr Konfrontation, sondern Runde Tische der Machtlosen in einem marktbeherrschten Rahmen. Als Idee setzte sich durch, daß die Umwelt einen Preis haben müßte - mit der Folge, daß mensch sie nun kaufen und verkaufen kann. Wer viel Geld hat, kann auch viel Umwelt verbrauchen. Und wieder stimmen die UmweltvertreterInnen den Chor an, nur diesmal neoliberal: Mehr Geld solle die Umwelt kosten, Schuldenerlaß gegen Schutzgebietsausweisung, Konzerne zu Umwelttreuhändern usw.
"Sowohl der frühere, staatsorientierte, wie auch der heutige, neoliberale Umweltschutz unterliegen einer falschen Analyse. Umwelt wird nicht zerstört, weil wir zu schlappe Gesetze, einen zu schlappen Umweltminister oder zu uneinsichtige VerbraucherInnen haben. Nein: Umwelt wird zerstört, weil wir in einer Welt leben, in der es Herrschaft und Verwertungslogik gibt, allen voran in der Form von Markt und Kapital."
(Auszug Rede am 10. 3. 2001 vor der Halle des Grünen Parteitags).
Markt und Verwertung haben unser Leben bis in die letzte Ecke erfaßt. Alles wird der Logik von Verwertung und Profit unterworfen: Arbeitskraft, Kreativität, Boden, Wasser oder Luft, neuerdings die Gene, Krankheit und Gesundheit, Gedanken und Ideen. Darum gibt es Atomkraftwerke. Ohne Verwertungs- und Profitlogik würde kein Castor fahren und kein Gen-Saatgut seinen Siegeszug um die Welt starten können.
Aber all das würde es auch nicht geben ohne die Herrschaft, den Staat, der Verwertung und Profit sichert, aber zudem eigene Logiken aufweist. Diese Facetten sind untrennbar mit der Herrschaft und damit auch immer mit Regierungen und Institutionen verbunden. Es gibt keinen guten Markt und keinen guten Staat. Ein Detail der Herrschaftslogik bedeutet die Möglichkeit, die Folgen eigener Entscheidungen auf andere abzuwälzen. Darum fährt der Castor, können Uran, Aluminium (Bauxit), Gold oder Öl zu brutalsten Bedingungen gewonnen werden. Darum wird Menschen das Recht und die Möglichkeit auf Selbstorganisation genommen - hier vor Hunderten von Jahren, im Trikont noch immer andauernd.
Verwertung und Herrschaft, Markt und Staat sind zwei Seiten derselben Medaille. Wer behauptet, sie stünden einander gegenüber, hat eine falsche Analyse. Ohne die Büttel und ExekutorInnen der Enteignung, der öffentlichen Meinungsmache, inneren Sicherheit und sogenannten Rechtsprechung, ohne all diese Institutionen mit ihren Paragraphen oder Knüppeln in der Hand wäre auch Profit nicht möglich. Herrschaft und Verwertung, Staat und Markt sind überall, sie sind die durchgreifenden Wirkungsmechanismen überhaupt. In ihnen und mit ihnen gibt es nichts Richtiges im Falschen.
Umweltschutz kann nur gegen Markt und Macht, gegen Verwertung und Staat gelingen. "Umweltschutz von unten", die Verbindung zwischen Selbstbestimmung und Ökologie, macht die Menschen zu den Entscheidenden. Es ist "ihre" Umwelt, um die es geht - nicht irgendeine, irgendwo, auf die ich über Macht und Markt einen Zugriff habe. "Umweltschutz von unten" wird vielfältig sein, die Menschen werden überall andere Lösungen finden. Es gibt keine Schemata mehr, nach denen sich alle zu richten haben - keine Gesetze, keine Ordnungsbehörden, keine von oben gesetzten Normen, sondern nur das, was die Menschen, selbst frei von Abhängigkeiten, in freien Vereinbarungen festgelegt haben.

Umweltschutz muß deshalb heißen ...
  • Freiräume zu erkämpfen, in denen die Menschen selbst entscheiden und agieren: Innenhöfe den Menschen, die dort wohnen! Schulhöfe und Unterrichtsgestaltung den SchülerInnen! Straßen und Plätze, Energieversorgung und Kommunikationsnetze den Menschen in den Dörfern, Quartieren, Kiezen usw.! Bauernhöfe, Naturflächen usw. den Menschen, die dort und davon leben!
  • Widerstand gegen Markt und Staat mit konkreten Aktionen, die die Ursachen der Zerstörung und die Symbole von Herrschaft und Verwertung angreifen und die dahinterstehenden Mechanismen von Herrschaft und Verwertung benennen
  • Überwindung der ökonomischen Zwänge in Alltag und politischer Aktion. Wir brauchen ein Leben und eine Politik, die sich lossagt von Staat und Markt.
  • Strategien, die in den Menschen die Verbündeten finden, nicht in FunktionärInnen, Parteien oder Institutionen. Bewegung von unten stärkt die Menschen und AkteurInnen statt Strukturen und Funktionen, ist direkt und kreativ. Der Rahmen für unseren Widerstand kann nicht aus den Spielregeln derer bestehen, gegen die sich unser Widerstand richtet.





  • Infos:
    Umweltschutz von unten im Netz:  http://go.to/umwelt

    Projekte, Adressen, Widerstand & Aktionen:  www.projektwerkstatt.de

    Bücher:
    Agenda, Expo, Sponsoring (Band 1: Recherchen im Naturschutzfilz, Band 2: Perspektiven radikaler, emanzipatorischer Umweltschutzarbeit, je 39,80 DM),
    Freie Menschen in Freien Vereinbarungen (19,80 DM)

    bei Projektwerkstatt,
    Ludwigstr. 11,
    35447 Reiskirchen,
    Tel: 06401/903283
    (für ReferentInnenanfragen bitte auch unter dieser Adresse melden).


    Sozialismus von unten, Nr. 6, Frühjahr 2001