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Christine Behrens

Globalisierte Frauenunterdrückung

"Die Globalisierte Frau" von Christa Wichterich (Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, 1998)
Im Mai 1998 erschienen, ist "Die globalisierte Frau" von der Jounalistin und Entwicklungsexpertin Christa Wichterich zu einem vielgelesenen Buch an den Universitäten und auf der Linken geworden.
Der Klappentext verspricht spannende Ausführungen über das veränderte Leben von Frauen in aller Welt:
"Frauen im Globalisierungskarussell: Textilarbeiterinnen aus der Oberlausitz verlieren ihre Arbeitsplätze an Frauen in Bangladesh, philippinische Mädchen putzen Küchen in Kuwait, Polinnen pflegen zu Dumping-Preisen Alte in Deutschland. Billig und flexibel, entsprechen Frauen eher als Männer den veränderten Marktbedingungen. Das eröffnet ihnen Chancen, traditionelle Rollen zu verlassen. Vor allem aber wird ihnen wieder die Verantwortung für das Soziale zugeschoben; ihre unbezahlte Arbeit nimmt zu."

Wie ein Krimi lesen sich die ersten mit zahlreichen Details und Fallbeispielen gespicken Kapitel.
In der zunehmend von sozialen Spaltungen geprägten globalen Gesellschaft stellt Wichterich eine "Feminisierung der Beschäftigung" fest, die einhergeht mit einer verstärkten geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung. So sind es gerade die flexibilisierten Jobs im Dienstleistungssektor und der Leichtindustrie, in denen Frauen beschäftigt sind. Dabei berücksichtigt sie sowohl die Erfahrungen aus den Entwicklungsländern, wie in der guatemaltikischen oder vietnamisischen Textilindustrie, und in den Industrienationen. Dort sind es gerade die Billigjobs in Zeitarbeitsfirmen oder Teilzeitjobs in den unteren Lohngruppen, die vermehrt von Frauen ausgeübt werden. So sind in Deutschland 89% der Teilzeit beschäftigten Frauen. Und der Abbau sozialer Sicherungssysteme wird vor allem auf den Rücken von Frauen abgewälzt wird. Als Beispiel dient hier die Pflegeversicherung der Kohlregierung, durch die die Pflege von Alten und Kranken verstärkt in die Familie hineinverlegt worden ist - meist zu Lasten von Frauen.
Wichterich zeigt wie verschiedene Formen der Ungleichheit und Unterdrük-kung Teile ein und des selben globalen Systems sind. Es sind die Bosse der führenden Wirtschaftsnationen und ihre Kollaborateure in der Politik, die diktieren wo es lang geht. Weltbank und IWF zwingen die Regierungen der Entwicklungsländern zu sog. "Strukturanpassungsprogrammen". D.h. es werden nur dann Kredite gewährt, wenn z.B. Nahrungssubventionen für die armen Bevölkerungsschichten gestrichen werden. Meistens sind es Frauen, die die schlimmsten Härten abfedern, indem sie sich organisieren, um sich selbst und ihren Familien zu helfen
Gleichzeitig attackieren die selben Bosse die sozialen Sicherungssysteme in den Industrienationen und üben massiven Druck auf die - im zunehmenden Maße sozialdemokratischen - Regierungen aus. Diese Regierungen, wie Schröder in Deutschland oder Blair in Großbritannien, gehen politisch und ideologisch in die Knie vor diesem enormen Druck, bzw. treiben den Umbau der sozialensicherungssysteme und den Abschied von den "alten" sozialdemokratischen Forderungen selber voran. Wichterich geht zunächst hart ins Gericht mit der modernisierten Sozialdemokratie und kritisiert ideologische Ansätze wie den des Blair-Beraters Jeremy Riffkin, der den Sozialkahlschlag positiv umdefiniert in dem er dafür plädiert einen Sektor für gemeinnützige ehrenamtliche Arbeiten zu schaffen. Daß dies hauptsächlich Frauen betreffen würde legt die Tatsache nahe, daß sie es sind, die schon jetzt den Löwenanteil an der unbezahlten (zumeist Reproduktions-)Arbeit haben. 70% der weltweit geleisteten Arbeit sind unbezahlt, das entspricht mit 11 Billionen $ fast die Hälfte der geschätzten Weltproduktion.
Dennoch fehlt dem Buch eine umfassende Analyse, in Hinblick auf die Globalisierung, und die speziellen Auswirkung von Globalisierung auf das Leben von Frauen.

Globalisierung?

Die These von der Globalisierung wurde aus der Taufe gehoben, um Forderungen nach Lohnmäßigung, einer stärkeren Flexibilisierung und Sozialkahlschlag zu begründen. Würden diese Forderungen nicht erfüllt, würden Arbeitsplätze ins Ausland verlegt. Beispiel sind Attacken wie der Drohbrief führender Wirtschaftsbosse an die Schröderregierung, die mit Abwanderung gedroht hatten, falls sich Schröder mit seinem wirtschaftspolitischen Kurs nicht durchsetzte. Sie hatten so das Signal zum Abschuß des Finanzministers Lafontaine gegeben.
Mit solchen Drohungen wird suggeriert, daß es für eine staatsinterventionistische Wirtschaftspolitik keinen Spielraum gebe.
Aber es sind nicht nur die Bosse, die Globalisierung als Totschlagargument gegen jegliche soziale

Forderung einsetzen. Alle die, die keinen Bruch mit dem Kapitalismus als wirtschaftlichen Rahmen vollziehen und akzeptieren damit letztendlich Konkurrenz und Profit als treibende Mechanismen und stehen hilflos vor der Verwüstung, die dieses System in jedem noch so entlegensten Winkel der Welt hinterläßt. Sie glauben, daß der Kapitalsmus vor der sog. Globalisierung regulierbar gewesen ist, jetzt aber ein neue Ära angebrochen sei, wo staatliche Eingriffe und Gegenwehr in Form von Streiks so gut wie unmöglich sind. Beide Annahmen sind falsch.

1. Globalisierung ist im Prinzip nichts neues. Nicht die Internationalisierung der Produktion führt zu einer sich verschärfenden Konkurrenz auf dem Weltmarkt und all ihren Folgeerscheinungen. Es ist die Krise des Kapitalismus, die Globalisierungsprozesse veschärft.
2. Wo der Staat eingreift, geschieht und geschah dies immer im grundsätzlichen Einvernehmen mit der Wirtschaft (z.B. Bildungsexpansion der 70er). Wieviel dann über die unmittelbaren Interessen der Wirtschaft hinaus rauszuholen ist, liegt an dem Druck, der von den betroffenen Arbeitern, Schülern oder Studenten ausgeübt wird.

Gegenwehr

Bei Wichterich treffen die sehr ähn-lichen Schwächen der linksreformistischen und der feministischen Kritik an der Globlaisierung zusammen. Globalisierung und Frauenunterdrückung werden nicht als Produkte des Kapitalismus, sondern als eigenständige Phänomene angesehen. "Wer sich nicht wehrt, kommt an den Herd", skandierten vor ein paar Jahren deutsche Arbeiterinnen im Kampf um ihre Arbeitsplätze. In den Exportindustrien Südostasiens und Mittelamerikas machen Arbeiterinnen nun immer häufiger die gegenteilige Erfahrung: Wer sich wehrt kommt an den Herd."Diese durchaus richtige Beobachtung führt dazu, daß Wichterich den Kampf der Arbeiterinnen als Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen angesichts der Globalisierung als nicht mehr angemessene Protestform ansieht. So tritt auch nicht die Arbeiterklasse als Subjekt zur Veränderung der unhaltba ren Zustände auf die Bühne. Was bei Lafontaine zum frustrierten Rückzug ins Private führte, führt hier dazu, daß Wicht erich so recht keine gesellschaftlichen Al ternativen weiß. Die Aktions- und Orga nisationsformen, die Wichterich in ihrem letzten Kapitel vorschlägt, sind dement sprechend welche der
Perspektivlosigkeit: Grassroot-Initiativen auf der einen Seite und Lobby-Frauen, die als Vertreterinnen von Frauenvereinigungen um die Welt jet-ten, um frauenspezifische Aspekte, in Resolutionen und Verträge z.B. der UNO einarbeiten - das ist die "neue Internationale der Frauen" die irgendwie, ob auf lokale oder globaler Ebene, innerhalb oder außerhalb des Systems für Gleichheit und Rechte und feministische Alternativen zum System arbeiten soll. Das dies wirklich eine Perspektive ist, daran scheint Wichterich auch nicht so recht zu glauben - das zeigt auch der Untertitel "Berichte aus der Zukunft der Ungleichheit".

Frauen gegen Männer?

Schwächen in der Analyse führen zur Beliebigkeit in der Form und Inhalt der Politik und zu keiner Antwort auf die Frage, wie denn die Ungleichheit bekämpft werden kann.
Wo Streiks keinen Sinn mehr machen und Fraueninteressen unabhänig von den Klasseninteressen der Arbeiterklasse als ganzes gesehen werden, bleibt das Frausein als kleinster gemeinsame Nenner. Folgendes Zitat, daß Reaktionen von südkoreanischen Arbeiterinnen und Arbeitern auf ein 1996 verabschiedetes und massive Verschlechterungen beinhaltendes Arbeitsgesetz, verdeutlicht, wo das Problem liegt: "Südkoreas Gewerkschaften antworteten mit einem vierwöchigen Streik. Die Medienbilder konzentrierten sich auf die wütenden Arbeiter in aus der Automobil -, Schwer- und Werftindustrie. Doch die Schwestern aus den Krankenhäusern Seouls und die Arbeiterinnen aus der Textil- und Elektroindustrie kämpften genauso gegen die Flexibili-sierung des Arbeitsmarktes und die Beschneidung der mühsam erstrittenen Rechte der Beschäftigten. Für die Männer zerschellte ein Traum von einer lebenslangen abgesicherten Vollzeitbeschäftigung - ein Traum den Frauen nicht einmal geträumt hatten."

Wichterich errichtet eine Mauer zwischen den Interessen und den Kämpfen der Männer und der Frauen. Männer kommen nur als die vor, die einerseits die herrschenden Strukturen der Wirtschaft und Politik prägen und andererseits, innerhalb der Arbeiterklasse, nur als Nutznießer von Frauenunterdrückung auf den Plan treten. Männer werden als Männer eher zum Teil des Problems, als zu dessen Lösung.
Die überwiegende Mehrheit der Frauen auf dieser Welt hat ein noch schlechteres und härteres Leben als die überwiegende Mehrheit der Männer. Sie leisten den größten Teil der unbezahlten Arbeit, fangen im überdurchnittlichen Maße soziale Härten ab und erleben Täglich Unterdrük-kung und Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts. Aber es sind nicht die Männer die Kapital daraus schlagen, sondern die Bosse, die von Ausbeutung, Lohndrückerei und Spaltung profitieren.
Dementsprechend bietet nur die geeinte Macht der Arbeiterklasse eine Perspektive gegen die weltweite Ausbeutung und Unterdrückung. Daß es eine wachsende weltweite Arbeiterklasse gibt, die zudem entgegen aller gegenteiliger Behauptungen zunehmend militant ist, zeigt der us-amerikanische Soziologe Kim Moody: ".. (es) setzte mit dem Herannahmen des 21. Jahrhunderts eine Rebellion ein, die sich gegen kapitalistische Globalisierung, deren Strukturen und Auswirkung richtete. Die Rebellion nahm auf beiden Seiten der ökonomischen Nord-Süd-Scheide und, in unterschiedlichem Ausmaß, auch in jeder der drei bedeutendsten Wirtschaftsregionen Gestalt an. (...) Daß die Rebellion mancherorts durchschlagende Wirkung zeigt überraschte Freund und Feind gleichermaßen. Im Zentrum der Rebellion stand die Arbeiterklasse und ihre elementarste Organisation, die Gewerkschaft."
Daß Wichterich diese Entwicklung nicht sieht, führt sie in die Sackgasse.

Es nützt wenig, den Mißstand nur anzuklagen. Ein Weg aus dem Dilemma ist die entschiedene Argumentation dafür, daß der Erfolg jedes Kampfes davon abhängt, inwieweit gegen Spaltungen in der Arbeiterklasse angegangen wird. Daß beinhaltet auch, daß es in einer solchen Bewegung eine klare antisexistische Ausrichtung gibt.
Dafür gibt es keinen Automatismus, dafür müssen Sozialistinnen und Sozialisten gemeinsam kämpfen.
Die "globalisierte Frau" ist jedem und jeder ans Herz zu legen. Sie bringt einem die Lebensrealität von Arbeiterinnen in der ganzen Welt nah und macht unmißverständlich deutlich warum es so nicht weitergehen kann. Gleichzeitig werden die Schwächen des linken Feminismus deutlich - eine dringliche Aufforderung an Sozialistinnen und Sozialisten ernsthaft an einer Theorie und Praxis der Frauenbefreiung zu arbeiten.






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